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Kooperation als Erfolgsfaktor in der Transformation

Flaschenzug als Sinnbild für Kooperation als Erfolgsfaktor in der Transformation

Die Logik hinter dem Privat der Konkurrenz ist einfach und bestechend: Wer sich auf den Vorteil für das eigene Unternehmen, das eigene Team, die eigene Familie, das eigene Land, usw. konzentriert, wird gegenüber den Mitbewerberinnen und Mitbewerbern obsiegen (whatever first). Alle anderen werden vom Markt gedrängt, aufgekauft oder unterworfen/erobert und dann wird auch die für jede Transformation zentrale Ressourcenfrage fürs Erste gelöst. Die Erfolge der Neuzeit sind nicht zufällig mit Landnahme verbunden. Dieser Logik sind wir gefolgt und das mit immer demselben bestechenden Erfolg.

Doch in den letzten Jahren häufen sich die Anzeichen, dass das Prinzip insgesamt nicht mehr so gut funktioniert. So kommt Europa als Industrie-Standort - selbst in den Leittechnologien - zunehmend unter Druck. Während Europa seit der Neuzeit praktisch durchgängig durch Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sozusagen den Ton angab, ergeben sich gerade jetzt in der Phase der Transformation Risse in diesem Selbstverständnis. Doch gerade in Phasen der Transformation braucht es die Kraft für Entwicklung.

Die Frage ist allerdings, ob dies nur darin liegt, dass die anderen bessern geworden sind oder vielleicht auch doch darin, dass nicht mehr alle Grundannahmen unseres Erfolgs stimmen. In dieser Verunsicherung wird tatsächlich überlegt, gegen Asien (zuerst einmal gegen China) mit Wettbewerbseinschränkungen vorzugehen; also der „Glaubenssatz“ der freien Konkurrenz plötzlich zur Seite gestellt. Und selbst im F&E-Bereich hat das Konzept der Konkurrenz mit Abgrenzung, juristischen Fragen und kleinmütigem Controlling die Federführung über eine lustvolle, zukunftsgerichtete, inhaltliche Arbeit übernommen. Anstatt voneinander zu lernen und so die Transformation zuerst besser zu verstehen und dann rascher zu lösen, stehen wir uns lieber wechselseitig im Weg. Während Isaac Newton noch sagen konnte: „Wenn ich weitersehen konnte, so deshalb, weil ich auf den Schultern von Riesen stand.“, wird der „freie Geist“ zunehmend zum „reglementierten Geist“.

Auch wenn für viele Konkurrenz das einzige Erfolgsrezept zu sein scheint, als dominierende Grundlogik des Lebens, Wirtschaftens und Denkens ist sie letztlich ein modernes Phänomen. Durch sie wurde Schritt für Schritt die Logik der Meisterschaft durch die Logik der Effizienz ersetzt, die Logik der Beziehung durch die Logik des Controllings, die Logik des Vertrauens durch die Logik der Verträge. Jede dieser Entwicklungen hatte im Kern äußerst positive Effekte und zu einem Aufstieg Europas geführt. Und doch merken wir zunehmend, dass die einseitige Vereinnahmung eines Prinzips seine negativen Folgen hat. Im Sinne von Albert Einstein „Man kann ein Problem nicht mit den gleichen Denkstrukturen lösen, die zu seiner Entstehung beigetragen haben.“ sollten wir im eigenen Interesse die anstehenden Transformationen als Lernfeld nutzen und keine Barrieren dagegen aufbauen.

Kooperation ist das Denken in Systemen

Kooperation als Erfolgsfaktor in der Transformation
Kooperation ist das Denken in Systemen, weil das Ganze mehr ist als die Summe der Teile: Selbst bei einem so einfachen Beispiel wie dem Flaschenzug kann ich mit nur einer zusätzlichen Umlenkrolle mit der gleichen Kraftanstrengung das doppelte Gewicht heben! – Und selbst bei einem so einfachen technischen Beispiel zeigt sich, dass es nicht egal ist, wie die Elemente zusammenarbeiten! Quelle: wikipedia.org

Und auch im Verhältnis des einzelnen Menschen zu den Organisationen (Unternehmen, Vereine, Verbände, Staaten) zeigt sich dieser Bruch. Die Logik der Konkurrenz beginnt auch auf Ebene des/r einzelnen zunehmend die negative Kehrseite offenzulegen. Während die „alten“ Mitarbeiter*innen stark von kollektiven und kooperativen Verantwortungsmustern geprägt waren, verhalten sich die „jungen“ ganz anders und irritieren damit. Gerade die Besten unter Ihnen sind sich zusehends ihres Marktwertes bewusst, verspüren keinerlei Treue gegenüber der Organisation, sondern fordern ihre persönlichen „noch nicht einmal erworbenen“ Rechte und pochen selbstbewusst und wie selbstverständlich auf ihre individuellen Vorteile. Digitalisierung und Corona haben dabei noch als „Brandbeschleuniger“ gewirkt. Kurzum, die auf der Makroebene bereits gut eingeübte Logik der Konkurrenz wurde dorthin übertragen, wo wir sie „eigentlich“ nicht haben wollten. Und gerade jene Branchen, die den Konkurrenzgedanken am meisten forciert haben, stehen diesem Phänomen am fassungslosesten gegenüber. Hinter vorgehaltener Hand werfen sie dann den jungen Leuten vor, dass sie sich nicht mehr zuerst für das Unternehmen (also das Gemeinsame) einsetzen, sondern „nur“ mehr auf ihre Vorteile schauen würden. Homeoffice, Teilzeit und Work-Life-Balance mit Fokus Life sind dann die Trigger-Begriffe des unternehmerischen und universitären Entsetzens. Dabei verhalten sich die jungen Menschen bei Lichte betrachtet nur konsequent, indem sie die allgegenwärtige Konkurrenz-Logik auch für sich konsequent anwenden! Wie so oft, vergessen wir, dass einseitige Anwendungen von Prinzipien mit der Zeit ganz grundsätzlich zum Problem werden.

Soweit eine kurze Analyse der sich zeigenden Brüche. Diese zeigen, dass Konkurrenz ein erfolgreiches Prinzip war und wohl auch sein wird. Sie machen aber gleichzeitig auch deutlich, dass die einseitige Betonung negative Folgen hat. Um der Kooperation als „Schwesterntugend“ der Konkurrenz eine Chance als allgemeine Grundlogik zu geben, sollten wir zuerst verstehen, unter welchen Bedingungen Konkurrenz überhaupt an seine Grenzen stößt und warum. Dies gibt uns dann einen Hinweis dafür, was passieren muss, damit Kooperation als Gegenpol zur Konkurrenz[1] wieder wirkmächtiger werden kann:

  • Unendlichkeit der Ressourcen: Konkurrenz ist dann als Prinzip erfolgreich, wenn die damit verhandelten Ressourcen (weitgehend) unbegrenzt sind. Sobald mehrere Akteure/Organisationen/Branchen/Staaten auf dieselbe Ressource zurückgreifen müssen, dann führt die Konkurrenzlogik zu einer Unterwerfungslogik. Diese wird dann problematisch, wenn mehrere dieser Zugriffe auf diese Ressource für eine funktionierende Gesellschaft gleichzeitig wichtig sind; d.h. wenn ein Entweder-Oder keine Lösung ist! 

Wenn wir z.B. Lebensmittel und Energie brauchen, hilft die Entscheidung zwischen Landwirt*in und Investor*in für PV-Anlagen nicht weiter. Wenn wir Innovation brauchen und gleichzeitig die Menschen die Veränderungsdynamiken nicht mehr ertragen wollen oder können, dann führt die Wahl zwischen Fortschritt und Rückzug der Menschen genau dorthin, wo wir heute stehen.

  • Geringe grundlegende strukturelle Änderungsdynamiken: Wenn sich einem System und seinem Umfeld (z.B. das Unternehmen mit seinen Produkten und Zielgruppen) wenig ändert, werden Optimierungsvorhaben in den einzelnen Strukturelementen das Mittel der Wahl sein. Konkurrenz ist dann ein anderes Wort für Effizienzsteigerung. Optimierung kann dann innerhalb der jeweiligen Abteilung / Bereiche erfolgen, weil sich an den Schnittstellen zu den anderen (nach innen und außen) wenig ändern wird. Wer dann im Vergleich zu anderen Marktteilnehmenden möglichst viele seiner Teilprozesse besser im Griff hat, wird gewinnen. Ändert sich im System allerdings etwas Grundlegendes, braucht es einen größeren Blick nach außen. Doch genau jetzt verbrauchen die bisherigen Optimierungs- und Konkurrenzlogiken genau jene Ressourcen, die es brauchen würde, um gemeinsam jene Lösungen zu entwickeln, die auf die anstehenden grundlegenden Änderungen besser angepasst sein würden.
  • Geringe Änderungen in den inhaltlichen Aspekten: Solange die grundlegenden Themen die gleichen bleiben, hilft Konkurrenz jene Zugänge, Menschen, Prozesse, etc. zu „filtern“, mit denen wir das Thema einfach besser beherrschen können. Wenn sich jedoch die treibenden Themen ändern, wie wir das z.B. bei der Mobilität, der Digitalisierung, der Energiewende oder der Klimakrise aktuell erleben, dann helfen diese „alten“ Expertisen wenig. Statt auf andere Interessenslagen, Wissensbestände oder schlicht andere Akteure und Regionen einzugehen, verlieren wir uns in einer Scheinkonkurrenz und Innenschau. Das Ergebnis ist dann, dass die aktuellen ExpertInnen und aktuell besten Lösungen uns nur daran hindern, dass wir uns rechtzeitig um die anstehenden Themen und das dafür meist noch bescheiden entwickelte Erfahrungswissen kümmern können. Es ist wohl kein Zufall, dass aktuell zentrale Innovationen in diesen transformativen Prozessen aus anderen Weltregionen und Branchen kommen und als „hilfeschreiende“ Begleiterscheinung „alternative Fakten“ zum Dauerzustand geworden sind.
  • Symmetrie in den Machtstrukturen: Konkurrenz ist auch nur dann ein produktiver Zugang, wenn die Grundvoraussetzung gilt, dass möglichst viele Akteurinnen und Akteure auf Augenhöhe teilnehmen. Ergeben sich in den Machtstrukturen allerdings Asymmetrien, werden immer weniger Akteurinnen und Akteure einen Marktzugang erhalten und dieser ist dann mit hohen Einschränkungen verbunden, sodass die geforderte Augenhöhe einfach nicht mehr einlösbar ist. Es entstehen durch diese Machtakkumulation zunehmend unkontrollierbare Monopole / Oligopole, die sich den produktiven Regeln der Marktwirtschaft völlig entziehen. Auf der gesellschaftlichen Ebene wird dies noch durch eine Kultur des Misstrauens und der Machterhaltung verschärft. Anhand der Digitalisierung lässt sich das wohl am deutlichsten erkennen. Und selbst im F&E-Bereich erleben wir dieses Phänomen schmerzhaft und der Mitteleinsatz passt immer weniger zum Beitrag für die zu meisternde Transformation.
  • Unabhängigkeit von Raumstrukturen: Bedingungslose Konkurrenz funktioniert schließlich nur dann, wenn die Leistungserbringung und der Bedarf zeitlich und räumlich entkoppelt sind. Konkurrenz wird ja nur dann zum Verteil, wenn das Gut jederzeit vor Ort auch verfügbar ist. Die „Erhöhung der Reichweite“ (Hartmund Rosa) durch die Logistik war dazu die Voraussetzung. Nicht zufällig haben uns daher ein einzelnes quergestelltes Schiff im Suezkanal (2021) und ein selbstbewussteres China erschüttert. Denn, wenn nicht alles jederzeit verfügbar ist – just in time – brechen die Vorteile der kompetitiven Logik rasch zusammen. Zu erwähnen sei noch, dass dies neben materiellen Gütern auch Dienstleistungen betrifft. Dies ist allerdings bislang noch weniger aufgefallen, weil die meisten (vor-digitalen) Dienstleistungen räumlich an die jeweiligen kulturellen Bedingungen gekoppelt waren und daher nicht so leicht getauscht werden konnten. Um dies etwas provokant mit einer Aussage eines Abteilungsleiters zu verdeutlichen: „Nur weil es in der Abteilung A funktioniert, heißt das für uns noch gar nichts!“

Diese fünf Voraussetzungen speisen sich aus meinen Erfahrungen und Beobachtungen in Organisationen, stellen allerdings keine systematische oder gar wissenschaftliche Zusammenstellung dar. Zu den Begriffen Kooperations-Mehrwert, Kooperations-Plus oder Kooperationsvorteil verhält sich das Internet vergleichsweise zurückhaltend. Neben Fachleiten aus Biologie und Mathematik wird noch der Roman von Marc-Elsberg erwähnt. In seinem Buch „Die Bauernfabel“[2] erklärt er darin in sehr einfachen Bildern, wie durch Zusammenlegen und Teilen (pooling and sharing) langfristig mehr Wohlstand geschaffen wird. Kurzum da stehen wir noch am Anfang.

Was wir allerdings aus jeder guten Zusammenarbeit und jeder guten Beziehung ganz intuitiv wissen, ist, dass langfristig erfolgreiche Partnerschaften „Vertrauen als Schmiermittel“ brauchen. Nur damit lassen sich Lösungen erarbeiten, die größer sind als die einzelne. Wir sollten daher unser Wissen aus dem privaten, öffentlichen und ehrenamtlichen Bereich verstärkt für den betrieblichen Bereich nutzen. Denn dort hat sich Kooperation als Grundmuster für Erfolge (noch) gehalten. Egal ob es große Dinge sind, wie der Betrieb der internationalen Raumstation ISS oder die ganz private Welt, wie das Zusammenstehen in einer Familie nach einem Schicksalsschlag, Kooperation ist die Voraussetzung für Vieles.

Ich wünsche Ihnen/Dir dass diese Ausführungen deutlich machen, wie wichtig ein Umdenken gerade bei anstehenden transformativen Situationen ist, um durch einen kooperativer Modus einen größeren Mehrwert für mehr Menschen zu schaffen. Dies entspricht im Kern genau meinem Motto:

Menschen verbinden ∞ Zukunft gestalten

Ihr Dr. Kurt Schauer

[1] Das Primat der Konkurrenz speist sich aus den Überlegungen von Darwin, wobei übersehen wird, dass der alt-englische Ausdruck "concurrency" eine Doppel-Bedeutung hatte: einerseits Kompetition, Rivalität und andererseits: Kooperation. Dies wird auch in den Arbeiten des Evolutionstheoretiker Martin Nowak (Martin A. Nowak mit Roger Highfield: Kooperative Intelligenz – Das Erfolgsgeheimnis der Evolution, H.C.Beck, München 2013) deutlich, der neben der Selektion und Mutation die Kooperation als dritte Kraft ins Zentrum rückt. Er meint sogar, dass sich die Entstehung und Entwicklung höherer Lebensformen überhaupt nur unter Einbeziehung ihrer Kooperationsformen beschreiben lässt.

[2] Die Bauernfabel basiert auf den bahnbrechenden Arbeiten der Wissenschaftler am London Mathematical Laboratory: www.lml.org.uk, animierte Folien dazu finden sie unter: www.farmersfable.org

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