In der Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2023 räumt der „neue“ Nobelpreisträger Anton Zeilinger mit dem Titel "Wie kommt das Neue in die Welt!" mit einigen zentralen Praktiken des heute üblichen Innovationsgeschäfts auf. Ich möchte daraus einen Aspekt herausgreifen, der auch für allgemeine Führungskräfte in ihrem unternehmerischen und organisatorischen Innovationsgeschäft von Bedeutung ist. Es geht um den Anspruch das Andersartige, das Ungewöhnliche, das Unerwartete für uns nutzbar und fruchtbar werden zu lassen.
Zuerst ein kurzer Einblick in Prof. Zeilingers Text. Darin beschreibt er, dass er zu Beginn seiner Forschung zur Quantenverschränkung nicht wusste, wohin ihn die „Reise“ führen könnte. Und weiter: „Wer nicht den nächsten Schritt genau beschreiben und planen kann, bekommt keine Ressourcen für die Idee.“ Und dann bekennt er ganz offen: „Hätte ich damals schon – wie es heute leider auf österreichsicher und auf europäischer Ebene immer häufiger gefordert wird – ein klares Ziel und die Methoden angeben müssen, hätte ich niemals den Nobelpreis bekommen.“
In unseren Organisationen geht es natürlich nicht um Grundlagenforschung. Und Führungskräfte sind kaum mit Ideen und Innovationen konfrontiert, die in einem Nobelpreis münden werden. Was jedoch spannend ist, sind allerdings jene wirkmächtigen Verhaltensmuster, wie wir mit Neuem / Andersartigem umgehen. Diese Muster finden wir auch in unseren Organisationen. Wir neigen nämlich zu Verhaltensmustern, die tendenziell das Neue behindern und gleichzeitig das Vorhandene konservieren helfen. Um nicht falsch verstanden zu werden, unsere Verhaltensmuster sind begründbar, stimmig und hilfreich. Und doch sollten wir sie in einem dynamisch sich verändernden Umfeld immer wieder in ihrer Wirkung kritisch hinterfragen, damit wir nicht den Anschluss verlieren. Hier ein paar Blitzlichter dazu:
Klärend darf ich vielleicht hinzufügen: Natürlich gilt es die Dinge vom Ergebnis her zu denken, natürlich gilt es ein Vorhaben gut zu planen, natürlich gilt es sich auf die logischen und machbaren Schritte zu fokussieren! Ich ermuntere nur auch dazu auf, jene Zugänge zu beachten, die das „Andere bzw. Neue“ überhaupt erst möglich machen. Gerade wenn sich das Umfeld in einem massiven Umbruch befindet, sollten genau diese Führungsmuster bewusst gestärkt werden, um neuen Schwung in das Unternehmen zu bringen und gleichzeitig mehr Erfüllung für die einzelnen Menschen zu ermöglichen.
Als Führungskraft braucht es dazu nicht mehr als beide Zugänge möglichst gleichwertig, ausbalanciert zu berücksichtigen. Gleichzeitig ist man dazu aufgefordert der oft tiefsitzenden trügerischen Annahme zu widerstehen, dass nur im Erhalt des Bestehenden eine gute, sichere Zukunft möglich sei, die dann auch noch sachlich und methodisch gut fundiert begründet wird.
Das Andersartige, Neue wirklich offen zuzulassen ist selbst in der Grundlagenforschung, wie Prof. Zeilinger beschreibt, gar nicht so leicht. Wenn wir eine „gute“ Entwicklung wollen, ist es daher wichtig in unseren Organisationen und Teams gerade jene Zugänge zu stärken, mit denen wir die positiven Qualitäten des „Andersartigen“ erkennen, entwickeln und nutzbar machen können. Um mehr produktive Balance in den Mustern unserer Organisationen zu erhalten, um die Kraft des Anderen/Neuen „fair“ aufkommen zu lassen, hilft der geschärfte und neutrale Blick von außen. Diesen für Sie einzubringen wäre mir eine große Freude, getreu meinem Motto:
Menschen verbinden ∞ Zukunft gestalten
[1] Die Informationstechnologien haben uns das in den letzten beiden Jahrzehnten in einer Dramatik und Geschwindigkeit gezeigt, die keiner für möglich gehalten hat. Und dann kam noch der „Brandbeschleuniger“ Corona dazu und plötzlich hatten selbst Arbeitstätige in Organisationen Home-Office, in welchen dies vorher verboten war. Und das war erst der Anfang, wenn man die noch anstehenden Umbrüche rund um die Energiewende, Mobilitätswende und Digitalisierung bedenkt!
[2] Auch die Fähigkeit Briefe noch schneller schreiben zu können, konnte den Job der klassischen Sekretärin nicht retten!
[3] An der Autoindustrie kann man das schön erkennen: Die Innovation ist nicht aus der Branche selbst gekommen, sondern von außen. Unter den drei erfolgreichsten E-Auto-Herstellern ist aktuell nur einer der alten zu finden – je nach Quelle Volkswagen oder General Motors, aber auch die nur mit der China-Tochter Wuling. Die Details sind da weniger wichtiger als die Tatsache, dass hier eine know-how- und innovationsintensive Branche von außen aufgemischt wird.
Bild: Das im Beitrag erscheinende Bild liefert ein schönes Beispiel der Bewegungsillusion. Bei großen Kontrasten ist unser Hirn überfordert, wir fokussieren auf einen Punkt und dann läuft der Rest davon. Eine Analogie für unsere Überforderung dem Neuen, Andersartigen gegenüber?
Bildquelle: https://www.eschenbach-vision.com/de-DE/blog/artikel/optische-taeuschungen-warum-sich-unser-auge-austricksen-laesst