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Vertrauen, das blind ist!

Bevor wir zu einer Antwort gehen, noch zwei weitere Zitate von Lisz Hirn: „In Anbetracht, dass mühsam erarbeitetes Vertrauen in wenigen Minuten erschüttert werden kann, ist es definitiv nicht der geeigente Baustein, auf den wir in Krisenzeiten setzen sollten.“ Und sie legt noch nach: „Urvertrauen des Säuglings ist ein Blödsinn, weil Vertrauen müssen nur jene, die nicht sicher sind, wie es ausgeht und deren Handlungs-möglichkeiten eingeschränkt sind.“

Wenn man dies als Führungskraft liest, hat man den Eindruck, dass vertrauensvolles Führen ein Holzweg sei und wir uns einfach von einer Wohlfühlrhethorik blenden haben lassen. Vielleicht stimmt ja doch der alte Spruch, dass Vertrauen zwar gut, Kontrolle aber doch viel besser ist?

So heftig diese provokanten Sätze auch beim ersten Lesen daherkommen, so liegt ihn ihnen doch bereits die Antwort für den Führungsalltag:

Antwort 1 - Schutz für Einseitigkeit: Jede Qualität, jeder Wert hat einen positiven Gegenpol, auch das Vertrauen. Setzen wir als Führungskraft zu sehr auf eine Seite - in dem Fall auf das Vertrauen - wird diese Seite blind. Und blindes Vertrauen wird fast zwangsweise missbraucht, weil die Versuchung der anderen einfach zu groß ist, die Eigeninteressen voranzustellen. Wer also gesundes Vertrauen pflegt, wird diesem einen positiven Wert zur Seite stellen. D.h. diese Person wird die anderen nicht alleine, blindlinks „werkeln“ lassen, sondern darauf schauen, dass wir gemeinsam etwas Besonderes erreichen. Damit könnte der positive Geschwisterwert, gemeinsames Üben und/oder konsequente Überprüfung des Fortschritts sein.

Was auch immer Ihr persönlicher positiver Gegenwert ist, es braucht jene zugrundeliegende Haltung, dass so ein gemeinsamer Weg gelingen kann. Falls diese nämlich fehlt, rutschen wir schnell entweder in eigene Beruhigungsversuche oder in einen Kontrollwahn ab und steigen damit in eine negative Abwärtsspirale ein, aus der wir nur mehr schwer entkommen können.

Anregung: Suchen Sie im eigenen Führungsstil und in den eigenen Führungssituationen die positiven Gegenpole zum Vertrauen. Diese findet man meist leicht über die Frage: Was hindert mich daran wirklich zu vertrauen?

Antwort 2 - Schutz vor Überhöhung: Jede positive Qualität hat für jeden Menschen ihre ganz spezifischen negativen Überhöhungen. Auch für Vertrauen gilt, dass es voll ausgelebt eben auch seine Schattenseiten zeigen wird. Für das Vertrauen kann diese Überhöhung z.B. Naivität oder Laissez-faire sein: Ich verstelle mir dann den Blick für die Wirklichkeit, weil „nicht sein kann, was nicht sein darf“. Ich lasse jene gewähren, die mein Vertrauen verletzen und untergrabe dadurch das Vertrauen als Ganzes; und zu allem Überdruss werde ich dadurch gerade jenen gegenüber ungerecht, die vertrauensvoll mit mir zusammenarbeiten.

Anregung: Es lohnt sich dazu für die eigene Führungssituation die wichtigsten negativen Überhöhungen des Vertrauens zu analysieren. D.h. genau darauf zu schauen, wo mein Vertrauen in das Gegenteil kippt; wo ich „scheinbar“ vertrauensvolle Handlungen setzte, diese aber gegen jede Erwartung dazu führen, dass sich gerade jene in Stich gelassen fühlen, die mir wirklich vertrauen? Kurzum darauf zu schauen, wo mein Zugang zum Vertrauen letztlich sogar das Gegenteil von dem bewirkt, was ich wollte!

Antwort 3 - Befreiung zum gemeinsamen Gelingen: Mit dem Hinweis von Lisz Hirn, dass nur jene vertrauen müssen, die nicht wissen, wie es ausgeht und die keine Handlungsmöglichkeiten haben, gibt sie einen weiteren Hinweis für den Führungsalltag. Vertrauen ist überhaupt nur dort notwendig und sinnvoll, wo es einen offenen Ausgang, d.h. Freiheit in der Entscheidung und den dazugehörigen Handlungsmöglichkeiten gibt! Vertrauen hat also zuerst damit zu tun, wie ich mir selbst und den anderen genau diese Freiheit zugestehe. Oder treibt mich die Angst das Falsche zu tun? Blockiere ich deswegen das Handeln der anderen? Es geht also darum einen Führungsrahmen zu schaffen, der beides verbindet: Weder die eigenen Ängste ignorieren noch die Energie der anderen zum Handeln bremsen!

Anregung: Es lohnt sich dazu das eigene Führungsverhalten und die Handlungsmuster der Mitarbeiter*innen bzw. Kolleg*innen mit folgenden Fragen zu analysieren: Wo halten wir wechselweise Wissen zurück und schaffen dadurch Unsicherheit und Unklarheit? Wo schränken wir wechselweise den Handlungsspielraum ein bis dahin, dass sich einzelne ohnmächtig fühlen? Wo verbrauchen wir mehr Energie für interne Blockaden statt für Lösungen?

Der scharfe Einstieg in diesem Artikel stellt nicht in Frage, dass für ein wirklich gutes Zusammenwirken von Menschen gegenseitiges Vertrauen unerlässlich ist. Er ruft uns vielmehr dazu auf, das Vertrauen vor negativer Überhöhung sowie vor Einseitigkeit zu schützen und unser Tun auf das gemeinsame Gelingen zu lenken. Das Schöne und Lohnende dieser Suche ist, dass sich neue, ganz persönliche Zugänge und Ressourcen für das eigene Führungsverhalten eröffnen.

Aus der ehrlichen Antwort auf diese drei Anregungen ergibt sich ein neuer vertrauensvoller Zugang, der weder blind vertraut noch auf das Eingreifen anderer hoffen muss. Bei dieser Suche ist der Blick von außen oft hilfreich, gilt es doch eingefahrene Muster zu erkennen und neu zu denken. Sie/Dich bei dieser Suche unterstützen zu dürfen wäre mir eine Freude, damit die positiven Qualitäten des Vertrauens in Ihrem/Deinen Führungsalltag noch besser wirken können; getreu meinem Motto:
Menschen verbinden ∞ Zukunft gestalten

Ihr
Dr. Kurt Schauer

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Vertrauen, das blind ist!
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