Die Suche nach Best Practice hat selbstverständlich viele positive Effekte, zeigt es uns doch wie andere -Organisationen, Teams oder Führungskräfte - exzellente Lösungen umgesetzt haben. In diesem Beitrag möchte ich mich jedoch auf die andere Seite der Medaille konzentrieren, die offensichtlich sehr wenig beachtet bzw. zu leicht übersehen wird.
Vor ein paar Jahren machte ein Beitrag im Havard Business Manager über den Mode-Konzern Zara das ganz deutlich: Zara war einer der wenigen Unternehmen in der Branche, der eine wirklich gute Marge machte. Der Grund lag aber nicht darin, dass sie sich an den anderen Best-Practice Beispielen orientierten, sondern bewusst einen eigenen Weg gingen. Sie machten in wichtigen Punkten genau das Gegenteil von dem, was in der Branche als Best Practice gelebt und erwartet wurde: Sie setzten auf höhere (!) Logistikkosten und teurere (!) Produktion in Europa! Wieso? Weil sie dadurch rascher am Markt sein wollten als die Konkurrenz, d.h. rascher auf die sich ändernden Wünsche der Kund*innen reagieren konnten. Betrachtet man also nicht den ganzen Ansatz, sondern nur einzelne Elemente wie z.B. Logistik- oder Produktionskosten, läuft man schnell in die Irre. Und selbst wenn man den Ansatz in seiner Gesamtheit, mit den vielen auf den ersten Blick oft nebensächlich erscheinenden Aspekten, erkennt: Diese zu kopieren ist oft schwerer als gedacht.
Ganz grundsätzlich machen uns daher Best-Practice Nachahmungen ohne die notwendige Vorsicht und Gesamtsicht sehr rasch zu schlechten Nachahmer*innen.
Wer das Zusammenspiel der Gesamtlösung nicht versteht - und da gehört auch das eigene Umfeld, die eigene Tradition, das eigene Geschäftsmodell, die eigene Struktur u.v.m dazu - wird letztlich einen hohen Aufwand in der Organisation erzeugen und sogar das Gegenteil von dem erreichen, was das Best-Practice-Beispiel scheinbar so leicht geschafft hat.
Ich will hier nur zwei grundlegende Aspekte herausgreifen, wieso sich eine gute Idee, ohne das notwendige Wissen, das notwendige Umfeld, die notwendige Hingabe und vieles mehr genau in das Gegenteil der erwarteten Wirkung verkehren kann. Je weniger hinterfragt dabei eine tolle Vorlage - eben das Best Practice - kopiert wird, desto sicherer ist der Misserfolg. Am Schluss steht dann nur die Frage: Und wieso klappt das bei uns nicht?
- Das Konzept der Meisterschaft - eine trotz aller Beteuerungen auch in Europa zunehmend gefährdete Haltung - geht anders an die Frage von Alleinstellung heran als das heutige Schielen auf Best-Practice: Die Person in Ausbildung (Lehrling, Geselle) lernt mit vollem Einsatz alle Schritte bis ins Detail und „erträgt“ mit Geduld alle Ratschläge. Diese Auszubildenden sind vom Wunsch getragen, etwas Besonders leisten zu wollen und nehmen sich daher genug Zeit zum Lernen. Die Basis ist dabei alles zu verinnerlichen, was zur Meisterschaft gehört. Das Ziel ist allerdings nicht die Kopie, sondern im nächsten Schritt mit der eigenen persönlichen Note das Verinnerlichte in neue Höhen zu führen und über die Lösung des Lehrmeisters hinauszugehen. Nicht umsonst können wir heute noch bei alten Instrumenten genau sagen, welcher Meister diese gefertigt hat. Für den Laien mögen diese alle gleich ausschauen - doch die wahre Meisterschaft zeigt sich für den Kunden bzw. die Kundin in vielen kleinen Details, die dann den Unterschied machen. Der Blick auf Best-Practice liefert in diesem Verständnis nämlich nicht die Lösung, sondern die Basis und ist ein Durchgangsstadium.